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Hans Böckler Stiftung

Wege in eine nachhaltige Zukunft
Fazit und Ausblick des Verbundprojekts Arbeit und Ökologie

Sowohl unter politischen als auch unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten lautet die wichtigste Botschaft des Verbundprojekts „Arbeit und Ökologie“: Eine sozial-ökologische Reformstrategie, die wirtschaftliche Effizienz, ressourcenschonende Produktion, umweltgerechten Konsum und soziale Gerechtigkeit miteinander verbindet, ist grundsätzlich machbar. Und sie ist mit Blick auf ökonomische, ökologische und soziale Entwicklungsmöglichkeiten sogar erfolgreicher als Entwicklungsstrategien, die sich an den Leitpunkten Kostenentlastung für Unternehmen, niedrigere Löhne und schlankerer Staat orientieren.

Durch die Entwicklung von Szenarien, die unter verschiedenen Prämissen aufgebaut, anhand gemeinsamer Kriterien auf Nachhaltigkeit überprüft und insgesamt auf ihre Schlüssigkeit kontrolliert wurden, hat das Projekt Kernelemente einer integrierten Nachhaltigkeitsstrategie erarbeitet. Diese Handlungsempfehlungen, die von den Vertretern der drei Fachdisziplinen gemeinsam definiert wurden, bilden das Grundgerüst einer sozial-ökologischen Reformstrategie für Wirtschaft und Gesellschaft. Sie definieren die Bausteine, ohne die Nachhaltigkeit kaum zu erreichen ist und sind damit Orientierungshilfen für die politische Umsetzung:

Die Gestaltung des Strukturwandels ist zweifellos eines der wichtigsten Handlungsfelder im Nachhaltigkeits- Prozess. Zu den Strategie-Elementen, die aus den drei Nachhaltigkeitsperspektiven als gleichermaßen wichtig erscheinen, gehören u.a. die Belastung der Umweltinanspruchnahme durch Steuern und Abgaben, der Subventionsumbau unter ökologischen Kriterien, ökologisch orientierte Infrastrukturprogramme, aber auch die Berücksichtigung sozialer Ziele beim Strukturwandel, die Gewährung von Übergangshilfen, eine breit anzusetzende Qualifizierung und die Reform des Sozialversicherungsrechts.

Innovationen erleichtern die Bewältigung des Strukturwandels ganz erheblich. Grundlage von Innovationen im technischen und im sozialen Bereich sind stets menschliches Können und Kreativität. Voraussetzung dafür ist ein gutes und breit zugängliches Bildungsangebot. Dieses muss auch der wachsenden Bedeutung sozialer Schlüsselqualifikationen gerecht werden. Unter sozialen Nachhaltigkeits-Aspekten sind soziale Innovationen (Verhaltensänderungen, neue Leitbilder und Lebensstile) besonders wichtige Bausteine einer sozial-ökologischen Reformstrategie.

Ein Konsumwandel, der neue Formen von nachhaltiger Lebensqualität schafft, ist gleichfalls möglich. Die Strategie-Elemente einer ökologischen Finanzreform und die Ausweitung des Informationsangebotes sowie der Ausbau des Bildungssystems können zusammen mit Produktkennzeichnung und Umweltaudits dafür Anreize geben, dass die Verbraucher ihre Nachfrage verstärkt auf sozial und ökologisch orientierte Produkte und Hersteller konzentrieren und so der nachhaltigen Entwicklung auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten einen wichtigen Impuls geben. Ob zur Förderung des Konsumwandels eher staatliche Fördermaßnahmen oder primär Eigeninitiative not wendig sind, bleibt aus wissenschaftlicher Sicht eine politisch zu entscheidende Option.

Die Arbeitszeitpolitik mit dem Schwerpunkt auf Arbeitszeitverkürzung erwies sich im Verlauf der Untersuchungen und Szenarienbildungen als ganz zentrales Element einer integrierten Nachhaltigkeits-Konzeption. Ohne sie sind wichtige Nachhaltigkeitsziele wie
–    Wiedergewinnung der Vollbeschäftigung,
–    Raum für Qualifikationserwerb, aber auch für informelle und Versorgungstätigkeiten,
–    Geschlechtergerechtigkeit,
–    Vereinbarkeit von privaten Zeitpräferenzen und Erwerbszeiten, um Frauen und Männern die Kombination von Erwerbs- und Familienarbeit zu erleichtern,
nicht zu realisieren.

Anhand dieser zentralen Handlungsfelder für eine sozial- ökologische Reformstrategie wird deutlich, welchen bedeutenden Stellenwert die Gestaltung der Arbeit auf dem Weg zur Nachhaltigkeit hat. Mit dieser Erkenntnis dürfte auch ein wesentlicher Ansatzpunkt für die in der Vergangenheit oft fehlende Verknüpfung der „Umweltdebatte“ mit der Diskussion über die „Zukunft der Arbeit“ gefunden sein. Ausserdem macht die Studie deutlich, dass die Gewerkschaften gerade in der Nachhaltigkeitsperspektive unverzichtbare Akteure in allen Handlungsfeldern sind.
Umgekehrt bietet sich den Gewerkschaften selbst die Möglichkeit, ihre traditionellen Handlungsfelder mit längerfristigen Entwicklungsperspektiven und neuen Leitbildern zu koppeln und das Ergebnis in den stattfindenden Gesellschaftsdiskurs über nachhaltige Zukunftsgestaltung einzubringen. Eine gewerkschaftliche Intervention in die Nachhaltigkeitsdebatte ist auch notwendig, um ein Nachhaltigkeitsverständnis zu vermeiden, das sich zu einseitig an ökologischen Anforderungen ausrichtet und die soziale Dimension auf Einschränkungen reduziert.

Nicht zuletzt birgt eine stärkere Beteiligung der Gewerkschaften an der gesellschaftlichen Diskussion über eine nachhaltige Entwicklung auch die Chance, aktuelle Organisationsprobleme zu überwinden: Die Teilnahme am Nachhaltigkeitsdiskurs schafft Nähe zu Gruppen von Arbeitenden (zu den Jugendlichen, den qualifizierten Angestellten und den Selbst-Unternehmern sowie den in Versorgungs- und Gemeinschaftsarbeit Tätigen), die in den Gewerkschaften nur schwach repräsentiert sind. Darüber hinaus erhält der kommunale Raum als gewerkschaftliches Aktionsfeld eine größere Bedeutung.

Die in der Studie „Arbeit und Ökologie“ vorgeschlagenen Wege zur Nachhaltigkeit markieren also nicht nur die Richtung für gesamtgesellschaftliche Zukunftschancen, sie zeigen auch den Gewerkschaften neue Möglichkeiten auf, sich als Organisation und politische Kraft nachhaltig zu stärken. In diesem doppelten Sinn leistet das Verbundprojekt „Arbeit und Ökologie“ einen wissenschaftlichen Beitrag zur Politikberatung.
Die Möglichkeiten wissenschaftlicher Forschung würden allerdings überschätzt, wenn man erwartet, mit den Analysen und der Bildung von Szenarien seien alle notwendigen Schritte auf dem Weg zu einer nachhaltigen Gesellschaft getan. Wissenschaft kann politische Bewertungen und Entscheidungen nicht ersetzen. Aber sie kann diese erleichtern, in dem sie Parteien, Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften, Umweltverbänden und anderen interessierten Gruppen Wahlmöglichkeiten für Wege in eine nachhaltige Entwicklung weist und dabei vorausschauend die Wirkungen unterschiedlicher politischer Optionen deutlich macht.

Dies hat das Verbundprojekt „Arbeit und Ökologie“ geleistet. Und es hat zugleich gezeigt, dass bei der Umsetzung der wissenschaftlichen Empfehlungen ein Korridor besteht, der Raum für politische Gewichtungen lässt. Nachhaltigkeit ist eben kein fertiges Konzept, sondern ein ständiger Prozess der Aushandlung und Entscheidung zwischen verschiedenen Interessen und Zielen.

Das bedeutet: Es gibt keinen Königsweg zu einer nachhaltigen Gesellschaft. Das bedeutet aber auch: Nicht jede Abweichung vom direkten Kurs führt gleich ins Verderben. Vielmehr lässt das Ziel „nachhaltige Gesellschaft“ durchaus viel Spielraum für unterschiedliche Wünsche, Zeitvorstellungen und Prioritäten. Es bleibt somit eine gesellschaftliche Verständigungs- und Entscheidungsaufgabe, den präzisen Weg und das Tempo festzulegen.

Nachhaltigkeit als neue Chance für die Gewerkschaften
I.
Wachstum, Vollbeschäftigung und Nachhaltigkeit sind vereinbar
Durch sozial- ökologische Politik, wie sie in den Nachhaltigkeits-Szenarien skizziert wird, kann die Massenarbeitslosigkeit entscheidend verringert, die Verteilungsgerechtigkeit verbessert und dauerhaftes Wirtschaftswachstum bei gleichzeitiger Entlastung der Umwelt erreicht werden.

II.
Ökologisch-soziale Wirtschaftspolitik ist erfolgreich
Im Gegensatz zu einer Politikvariante, die auf Rückzug des Staates und Reduzierung von politischen Interventionen im Wirtschaftsprozess setzt, führen beide in dieser Studie erarbeiteten Nachhaltigkeits- Szenarien zu höherem Wachstum, kürzerer Arbeitszeit, niedrigerer Arbeitslosigkeit, höherem Arbeitseinkommen und verringerten Umweltschäden.
Bei der konkreten Ausgestaltung der Wirtschaftspolitik kann entweder materiellen Verbesserungen ein stärkeres Gewicht gegeben werden (Einkommenszuwachs, Lebensstandard), oder immateriellen Verbesserungen (Zeitwohlstand durch Arbeitszeitverkürzung, Gleichstellung, Ökologisierung, Partizipation, Lebensqualität). Beide an Nachhaltigkeitszielen ausgerichtete Zukunftspfade erweisen sich als ökonomisch, ökologisch und sozial vorteilhafter als das Kontrastszenario. Das bietet Raum für politische Kompromisslösungen.

III.
Der Sozialstaat kann durch Reformen gesichert werden
Ein Erhalt der staatlichen sozialen Sicherungssysteme mit den bewährten Grundelementen ist möglich. Dabei sind verschiedene Ausgestaltungsformen denkbar.

IV.
Die Stärkung von Demokratie und Partizipation ist auch wirtschaftlich sinnvoll
Die Ausweitung gesellschaftlicher Beteiligungsprozesse ist sinnvoll, weil dies die Innovationsfähigkeit stärkt. Allerdings führt diese Strategie zunächst einmal zu Kosten (z.B. für Bildung und Qualifizierung, aber auch wg. Zeitverlusten und den Auswirkungen auf Produktivität). Doch schon mittelfristig zahlen sich diese Kosten aus, weil die Innovationen dann wohlstandsmehrend wirken.

V.
Die Gewerkschaften können eine wichtige politische Rolle im Nachhaltigkeitsprozess übernehmen
Durch den großen Stellenwert, den die Gestaltung der Arbeit auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft hat, werden die Gewerkschaften zu einem entscheidenden Akteur im Nachhaltigkeitsprozess.

 

 

Email: Hans-Böckler-Stiftung
Auszug aus: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschumg, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung: Arbeit und Ökologie, Projektabschlussbericht. Hrsg. von der Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf, 2000, 749 S., ISBN 3-935145-05-5

WEITERFÜHRENDE LINKS:
Hans-Böckler-Stiftung www.boeckler.de
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschumg www.diw-berlin.de
Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie  www.wupperinst.org 
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung www.wz-berlin.de
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