xxx Neue Genossenschaften braucht das Land Eine alte Idee in neuem Gewand Im Genossenschaftsgesetz von 1889 wird eine
Genossenschaft folgendermaßen definiert: Gesellschaften von nicht geschlossener
Mitgliederzahl, welche die Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder
mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes bezwecken (Genossenschaften),
namentlich... und dann folgt eine Aufzählung der damals typischen
Genossenschaftsformen. Die Genossenschaft ist eine Organisationsform zwischen Kapitalgesellschaft und gemeinwirtschaftlichem Unternehmen, in der die Begünstigten zugleich Kapitalgeber, Entscheidungsträger und Kontrolleure der Organisation sind.1 Die Genossenschaft ist daher durch eine Doppelnatur charakterisiert. Die Mitglieder sind gleichzeitig Anteilseigner, Entscheidungsträger und Leistungsabnehmer bzw. Nutznießer gemeinsamer Tätigkeiten. In diesem Zusammenhang greift der Begriff Selbsthilfe. Selbsthilfe ist das wichtigste Merkmal jeder genossenschaftlichen Tätigkeit. Er ist nicht gleichbedeutend mit Solidarität und Gegenseitigkeit, sondern ist vordergründig auf eigene Interessen gerichtet. Selbsthilfe kann nur durch Zusammenarbeit der Mitglieder in der Gruppe realisiert werden. Selbsthilfeorganisationen arbeiten daher auf der Grundlage gegenseitiger Hilfe und Solidarität der Mitglieder untereinander. Dies bedeutet aber nicht Selbstzweck, sondern ist notwendiges Mittel zur Erreichung des Zwecks der Förderung der individuellen Interessen des einzelnen Mitglieds.2 Die Genossenschaft ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das sich im Eigentum seiner Träger (Mitglieder oder Genossen genannt) befindet. Die Förderung der Träger erfolgt durch Leistungen des Gemeinschaftsbetriebes, im Gegensatz zu anderen Unternehmen der Privatwirtschaft, die sich durch Gewinnstreben auf Märkten auszeichnen. Letztere sollen ein Maximum an Gewinn für das investierte Kapital erwirtschaften und stellen damit eben keine förderungswirtschaftliche, sondern eine erwerbswirtschaftliche Unternehmung dar. Genossenschaften sind immer dann gegründet worden, wenn insbesondere wirtschaftliche Schwierigkeiten aufgetreten sind oder wenn die Menschen aufgrund politischer Niederlagen resigniert haben. So zum Beispiel nach dem Ende des ersten Weltkrieges, als die sogenannte Sozialisierungsdebatte im Deutschen Reichstag eingestellt wurde. Die Folge war eine Welle von Genossenschaftsgründungen vor allem im Wohnungsbaubereich, bei der Versorgung mit Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs (Konsum, Edeka, Rewe) und im Bereich der Arbeitsplatzschaffung und sicherung (Produktivgenossenschaften). In der Gegenwart ergeben sich neue Ansätze aus Erfahrungen von Genossenschaften in anderen europäischen Staaten, wie z.B. in Frankreich, wo der Begriff economie sociale geprägt wurde, der in Deutschland im weitesten Sinne als Solidarwirtschaft bezeichnet werden kann. Aber auch in Schweden, Belgien, Großbritannien, Spanien und Italien gibt es verwandte Begrifflichkeiten und Problemlösungsansätze ausgehend von genossenschaftlicher Wirtschaftsweise. Diese Erfahrungen können auch für
Deutschland genutzt werden Diese Form der Kooperative wird wegen
steuerlicher Vergünstigungen und wegen der Selbstverwaltung (senza padrone, ohne
Boss) gewählt. Gegenwärtig befasst sich unser kleiner, junger genossenschaftlicher Prüfungsverband mit Sitz in Berlin auch mit neueren Formen der Genossenschaften, z.B. Stadtteilgenossenschaften, in denen Bewohner eines Kiezes Mitglied werden können. Solche Genossenschaften können sich mit kulturellen Aspekten, mit Beschäftigungsinitiativen und/oder mit Wohnungsbau und vielem mehr befassen. Hier können auch Vernetzungsstrukturen mit anderen Organisationen zu Stande kommen, Kaufleute und Gewerbetreibenden des Stadtteils können sich z.B. als Werbegemeinschaft über die Stadtteilgenossenschaft organisieren, oder die Genossenschaft sorgt über ein Punktesystem dafür, dass den Bewohnern des Stadtteils, die Mitglied geworden sind, Einkaufsvorteile bei der örtlichen Kaufmannschaft eingeräumt werden. Die Genossenschaft würde sozusagen als Plattform für die Darstellung des Kiezes nach außen wie nach innen fungieren. Gerade in strukturschwachen Stadtteilen (z.B. in Berlin) könnte dadurch die lokale Ökonomie gestärkt werden. Durch Schaffung einer Verbundstruktur innerhalb der Genossenschaftsorganisation, durch die Verbindung von Wohnungs-, Energie- Produktiv- und Stadtteilgenossenschaften können darüber hinaus sogenannte Synergieeffekte erzielt werden. Dies gilt genauso für die Anforderungen auf dem Land. Dorfgenossenschaften wie sie z.B. in Schweden existieren, wären in der Lage vor allem in strukturschwachen Gebieten die lokale Ökonomie zu stärken, in dem z.B. über die Genossenschaft Dienstleistungen angeboten werden, die ein herkömmlicher Unternehmer in der Region oder im Dorf nicht anbieten. Die Genossenschaft würde von den Bewohnern des Dorfes oder der Region viele kleine Geschäftsanteile einsammeln, die Mittel bündeln und bedarfsorientiert Dienstleistungen und Waren anbieten.5 Regionalvermarktungsgenossenschaften der Bauern (vor allem Ökobauern) würden Überschüsse ihrer Mitglieder anbieten und über Dorfgenossenschaften vertreiben können. Die zunehmende Überalterung der Bevölkerung könnte abgemildert werden, weil diese Genossenschaften in der Lage wären, Arbeitsplätze zu schaffen. Es wäre vorstellbar, einen Großteil der Arbeitsfördermittel nicht in unsinnigen kurzfristig angelegten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu verheizen, sondern die Entstehung solcher dauerhaften Organisationen endlich in Angriff zu nehmen. Ein weiterer Schwerpunkt können sogenannte Produktiv- oder aber auch Professionsgenossenschaften sein, die als Arbeitsförderbetriebe für Beschäftigung sorgen mit der Maßgabe, dass z.B. aus der Langzeitarbeitslosigkeit Kommende nach einer Ausbildungs- und Eingewöhnungszeit ihren Arbeitsplatz selbst gestalten, indem sie Mitglied der Genossenschaft werden und mit dem Risiko wie andere Unternehmensgründer gemeinsam mit anderen ein Geschäft betreiben. Insolvenzgefährdete Betriebe könnten als Genossenschaft von den Beschäftigten übernommen werden. Beispiele für erfolgreiche Beschäftigungs Buy Outs gibt es genügend in der EU. Hier wären insbesondere die Gewerkschaften gefragt, die sich überlegen sollten, ob zur Rettung von Unternehmen die Gründung von Aktiengesellschaften überhaupt sachgerecht ist. Dadurch, dass die Beschäftigten am Kapital
der Genossenschaft beteiligt sind, ergeben sich folgende Vorteile: Neue Aufgaben für genossenschaftliche Lösungen wären vorstellbar im Bereich Forschung und Entwicklung oder im Bereich der Kreislaufwirtschaft, für regionale Energie- und Nutzwasserkonzepte und Insellösungen im Bereich Wohnen und Arbeiten kombiniert mit neuen Energie- und Nutzwasserkonzepten, im Bereich des Internet, der Telekommunikation, der Aus- und Weiterbildung, der sozialen Dienstleistungen, des Verkehrs usw. Vor allem in Ostdeutschland wird nach solchen genossenschaftlichen Lösungen in den genannten Bereichen gestrebt. In Westdeutschland hat man den Eindruck, dass die Beharrungskräfte, die sich gegen genossenschaftliche Lösungen aussprechen, wesentlich größer sind. Dies liegt vor allem darin begründet, dass dort der Strukturwandel wesentlich langsamer voranschreitet als in Ostdeutschland und dass die Form der Genossenschaft relativ unbekannt ist. Die genossenschaftliche Wirtschaftsweise wird vielfach nicht verstanden wird ist sogar unbekannt. Junge Genossenschaften sind in der Regel bestrebt, viele Menschen einzubeziehen, da sie auch deren Kapital benötigen. Sogenannte Fördermitglieder sind für die Genossenschaften sowohl als ideelle wie als kapitalgebende Mitglieder sehr wichtig. Die Betätigungsfelder für Genossenschaften sind weit gefächert. Dem shareholder value als Primat privatkapitalistischer Wirtschaft im Interesse der Anteilseigner, ohne Rücksicht auf soziale und ökologische Zielstellungen, setzen Genossenschaften den Nutzen für möglichst viele von ihrer Tätigkeit Betroffene, den sog. stakeholder value entgegen. Unter diesem Gesichtspunkt können Genossenschaften angesichts der Diskussionen um Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung, ökologische Verträglichkeit, Klimaschutz und soziale Ausgewogenheit als zukunftsweisende Organisationsform angesehen werden. In Umbruchsituationen oder wenn die Menschen erkannten, dass ein bisher eingeschlagener Weg offensichtlich in die falsche Richtung geführt hatte, gab es Menschen, die mit Hilfe genossenschaftlicher Organisation und Wirtschaftsweise eine Problemlösung angeschoben haben. Sie waren immer Vorreiter von Entwicklungen. So könnte es auch jetzt sein, wenn versucht würde, die aktuell anstehenden Probleme mittels genossenschaftlicher Wirtschaftsweise lösen zu helfen. Anmerkungen
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Email: Michael
Bock |
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