xxx TAZ: Wir haben eine Chance, und wir nutzen sie Die taz ist ein spätes Kind der 68er
Studentenbewegung. Spät, weil sich diese in den siebziger Jahren zunächst in den
Irrungen und Wirrungen zwischen kommunistischen Sekten, Spontigruppen, Spaßguerilla aber
auch terroristischen Zirkeln verlief. Die Bewegung trat auf der Stelle. Tunix war der Aufbruch der Alternativbewegung zur Gründung eigener Institutionen gegen das Establishment. Die Vorstellung, dass eine bessere Welt machbar sei, sollte nun auch konkret umgesetzt werden. Die Themen waren klassisch, die Fragen
kritisch und die Antworten sollten neu sein: Zukunft der Arbeit, Mensch und Umwelt,
Nachhaltigkeit, Soziale Gerechtigkeit, Internationale Solidarität, Emanzipation, Kultur
von unten, Multikultur, Minderheiten, Erziehung. Wir haben keine Chance, aber wir
nutzen sie, In zwei Jahrzehnten konnte die taz vor allem durch die Solidarität ihrer MitarbeiterInnen und AbonnentInnen bestehen. Hinzugekommen ist seit Gründung der taz-Genossenschaft im Jahr 1991 die Unterstützung durch inzwischen mehr als fünftausend Genossenschaftsmitglieder, die sich mit 10 Millionen DM Kapital an der taz beteiligt haben. Wie konnte gelingen, was nach Meinung aller Experten des Gewerbes überhaupt nicht möglich war? Ein Sprichwort sagt, wenn du ein Schiff bauen willst, dann suche nicht die besten Zimmerleute und Schiffbauer, sondern die Leute mit der größten Sehnsucht nach der Ferne. So war es bei der taz. Menschen mit Fachwissen, Journalisten oder Verlagsleute, gab es in der ersten Zeit so gut wie überhaupt nicht. Dafür fanden sich umso mehr junge Leute zusammen, denen das, was jeden Tag in den anderen Zeitungen geschrieben wurde, nicht ihrer Sehnsucht nach einer wirklich eigenen Stimme entsprach. Fritz Teufel, APO-Aktivist, schrieb 1978 aus dem Knast Moabit Eine neue Zeitung ist die Frau meiner Träume seit 67. Dass sie doch auftauchte und nicht gleich wieder verschwände. Bei soviel Träumerei hatten
betriebswirtschaftliche Überlegungen wenig Raum. Und das war gut, sonst hätte es die taz
nie gegeben. Für den Start der Zeitung wären mindestens 20.000 Vorausabos notwendig
gewesen, doch als die nicht zusammenkamen, begann die taz mit 7.000 Abos. Und trotz aller
Ahnungslosigkeit fällten die GründerInnen in diesen frühen Jahren zukunftsweisende
Entscheidungen. Entgegen allen Erwartungen gelang es der taz, trotz chronischer Finanzkrisen, am Markt zu bleiben. Die politische Konjunktur war für das Blatt in den achtziger Jahren denkbar günstig. Immer wieder gab es Themen, an denen sich die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen zuspitzten und die auch die Auflage der taz emporbrachten. Schon kurz nach Erscheinen der taz wurde Berlin zur Hausbesetzermetropole. Das Atomprogramm und der Nato-Doppelbeschluss machten die taz als linke Zeitung in der Bundesrepublik bald unersetzlich. Die Atomkatastrophe von Tschernobyl 1986 brachte der taz eine Steigerung der Abonnements von 22.000 auf 36.000. Enteignet Springer, beteiligt
Euch an der taz Mit den neunziger Jahren begannen
Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und Haushaltsdefizite die Politik zu bestimmen. Die taz
als Projekt der Gegenöffentlichkeit und der alternativen Kultur musste die veränderten
Bedingungen nicht nur beschreiben, sondern wurde von ihnen auch erfasst. Die Insel Berlin
wurde zum Festland, das liebgewonnene Subventionsmeer fiel trocken und mit ihm gingen die
alternativen Lebensverhältnisse. Die taz musste wie andere Berliner Unternehmen
mit ungeheurer Geschwindigkeit den neuen Anforderungen gerecht werden. Den Abbau
der Berlinförderung zu verkraften zählte zu den höchsten Hürden, die die taz in ihrer
Geschichte zu nehmen hatte. Das Unternehmen taz wurde entflochten, der Personalstand
drastisch reduziert, der Einheitslohn abgeschafft und Deutschlands größter
Alternativbetrieb in eine Genossenschaft umgewandelt.
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Karl-Heinz Ruch ist Geschäftsführer der Tageszeitung im Berlin. |
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