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Brigitte Karhoff / Wolfgang Kiehle
Die Quartiersgenossenschaft: Sicherung bedrohter Wohnungen am Beispiel Leipzig
Skizze eines Gutachtens der WohnBund-Beratung NRW für die Stadt Leipzig

Ausgangssituation
Nach der Wiedervereinigung sind Teile der Altbauquartiere in Leipzig – wie auch in anderen Städten Ostdeutschlands – durch Investorenmodelle saniert worden. Diese waren durch erhebliche Steuervorteile und am Markt erzielbare hohe Mieten wirtschaftlich. Mit dem Auslaufen der Steuervorteile und dem Rückgang der Mieten infolge geringerer Nachfrage hat sich die Sanierung der Altbauquartiere erheblich verlangsamt. Gefragt sind nun Modelle, die die vom weiteren Verfall bedrohten Gründerzeitquartiere („das letzte Drittel“) sichern können. Stadtentwicklungspolitisches Ziel ist auch, die Abwanderung ins Umland zu vermeiden.

Bei diesen „neuen“ Modellen müssen auf der einen Seite die Mieter und Mieterinnen in die Sanierung stärker als bisher einbezogen werden, um so die weggefallenen Steuervorteile und die nicht mehr erzielbaren hohen Mieten zu kompensieren. Auf der anderen Seite erscheint es unverzichtbar, den Erneuerungsprozess auch auf das Wohnumfeld zu erweitern; dies gilt für bisher ungenutzte Quartiersflächen und auch für Häuser, die durch Verfall das Erscheinungsbild eines Quartiers beeinträchtigen und somit auch zur Abwanderung beitragen. Mittelfristig sind dann Defizite der sozialen und kulturellen Infrastruktur zu identifizieren und Lösungen zu entwickeln und umzusetzen.
Aufgabe des Gutachten war die Erarbeitung von Trägerformen für Selbstnutzer, die zur Sanierung der Häuser und zur Entwicklung des Quartiers einen Beitrag leisten. Im Zentrum des Gutachtens steht der Vorschlag einer Quartiersgenossenschaft, die sich der Sanierung widmet und soziale und kulturelle Aktivitäten im Quartier anstößt oder entwickelt.

Die Quartiersgenossenschaft als Trägerin der Sanierungsaufgabe
In einem ersten Schritt wird für ein Quartier eine Wohnungsgenossenschaft gegründet, die gleich zu Beginn einige Häuser erwirbt oder als „Hülle“ gegründet wird. Aufgabe der Genossenschaft ist die sofortige oder spätere Übernahme von Häusern und die Selbstverwaltung durch ihre Bewohner.

Wenn die Mieter eines Hauses gemeinschaftlich ihr Haus erwerben wollen, und der jeweilige Eigentümer bereit ist, leistet die Genossenschaft in wohnungswirtschaftlichen Fragestellungen Starthilfe. Die Mieter werden Mitglied der Genossenschaft und zahlen – entsprechend Kaufpreis, Sanierungsaufwand und Selbsthilfe – ihren Genossenschaftsanteil ein. Die Mietergruppe schließt dann mit der Quartiersgenossenschaft einen Selbstverwaltungsvertrag ab, wobei diese über den Umfang der Selbstverwaltung selbst entscheidet. Wirtschaftlich „harte“ Fragen der Bewirtschaftung, wie z.B. Instandhaltung, verbleiben in der Zuständigkeit bzw. Kontrolle der Genossenschaft.

Die Quartiersgenossenschaft steht weiteren Mietergruppen im Quartier zur Verfügung; insofern soll sie eine wachsende Genossenschaft werden. Die Quartiersgenossenschaft hat gegenüber anderen Modellen, z.B. Einzelerwerb, folgende Vorteile:

  • Die wirtschaftlichen Lasten und Risiken, aber auch Erträge werden auf viele Schultern verteilt.

  • Eine Mietergruppe muss für „ihr“ Haus nicht eigens eine Genossenschaft gründen, sondern kann die bestehende Quartiersgenossenschaft als Trägerin nutzen. Das macht Gründung und Bewirtschaftung einfacher und preiswerter.

  • Die Selbstverwaltungsrechte können „eigentumsähnlich“ ausgestaltet werden. Die regelmäßige Prüfung jeder Genossenschaft durch einen Prüfungsverband gibt wirtschaftliche Sicherheit.

  • Ein- und Ausstieg sind leicht zu handhaben: Sie sind so einfach wie bei einem Verein. Zudem erhält das ausgetretene Mitglied den eingezahlten Genossenschaftsanteil (einschl. Förderung) zurück.

  • Der Erwerb von Genossenschaftsanteilen wird durch das Eigenheimzulagengesetz des Bundes gefördert – wenn auch schlechter als der Einzelerwerb. Für einen Genossenschaftsanteil von z.B. 15.000 DM liegt die Förderung für eine Familie mit zwei Kindern immerhin bei 11.600 DM.

Die Quartiersgenossenschaft als Trägerin sozialer und kultureller Aktivitäten
Um insbesondere den Wegzug ins Umland zu stoppen, müssen nicht nur die Wohnungen saniert werden, sondern auch das Wohnumfeld in den Erneuerungsprozess einbezogen werden. Wenn die Genossenschaft in einem Quartier Häuser übernommen hat, kann sie auch einen Beitrag zur Quartiersentwicklung leisten, z.B. durch:

  • Übernahme und Bewirtschaftung von Gebäuden, die für soziale und kulturelle Aktivitäten im Quartier benötigt werden, z.B. Stadtteiltreff.

  • Initiierung von Vorschlägen und Lösungen für die Nutzung von Flächen und Gebäuden im Quartier, z.B. Umnutzung einer Brachfläche, Sicherung eines vom Verfall bedrohten Hauses...

Sinnvoll wäre ein Förderprogramm zur Finanzierung (eines Teils) des Genossenschaftsanteils, z.B. in Höhe der Eigenheimzulage – entweder durch das Land Sachsen oder die Stadt Leipzig. Zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit kann in Zusammenarbeit mit einem örtlichen Kreditinstitut ein Sparbrief aufgelegt werden, der den Projekten Darlehen mit günstigeren Zinsen verschafft.

 

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