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Dietmar Groß

Hauptsache Bio – oder was sonst noch?

Anlässlich der Grünen Woche 2001 in Berlin wurde der Öffentlichkeit ein neues Prüfzeichen für Nahrungsmittel aus ökologischem Landbau vorgestellt. Große Partien einheitlich gekennzeichneter Bioware preisgünstig über die Absatzwege des konventionellen Lebensmitteleinzelhandels vermarkten lautet die Parole, mit der die Bioszene aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt werden soll. Einheitliches Biogemüse in allen Filialen der großen Lebensmitteleinzelhandels-Ketten, von wenigen hochspezialisierten Gemüseanbaubetrieben großflächig erzeugt und kreuz und quer durch die Republik gekarrt.

Biobauer Dietmar Groß erhebt Einspruch
Der Biomarkt in Deutschland wächst stetig, aber aus der Sicht vieler Beteiligter zu langsam.

Das Anfang der neunziger Jahre postulierte Ziel von zehn Prozent am Lebensmittelgesamtmarkt ist nach wie vor in weiter Ferne. Bei einem Anteil zwischen zwei und drei Prozent fristet der reale Bioumsatz nach wie vor ein Schattendasein. Und das, obwohl Bioprodukte bei Verbraucherbefragungen immer höhere Sympathiewerte erzielen. Über die Hälfte der Befragten würden möglicherweise vielleicht nach den Untersuchungsergebnissen von Experten Bioprodukte kaufen, ja wenn...

Dass diese Prognosen real nicht eingetroffen sind, macht den Akteuren im Biobereich zunehmend mehr Probleme. Für die weitere Debatte erscheint es mir zunächst zur Klärung der Interessenslage wichtig, genauer hinzuschauen, wer welche Probleme hat.

Da ist zunächst mal der Bereich Politik und Wissenschaft zu nennen. Für viele Akteure in diesem Feld ist der ökologische Landbau das Gegenbild zur umwelt-, tier- und verbraucherfeindlichen agroindustriellen Produktionsweise. Andere sehen darin eine Überlebenschance für bäuerliche Betriebe, Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten für den ländlichen Raum usw. Insbesondere die Grünen und ihr Umfeld haben sich mit diesen Thesen profiliert.
Die Experten in diesen Bereichen sorgen sich um ihren guten Ruf und die Glaubwürdigkeit, wenn das prognostizierte Wachstum nicht eintritt und sie fürchten, dass die ideologischen Gegner im anderen Lager sich vor Schadenfreude die Hände reiben. Auf der anderen Seite wächst der Druck der Erzeuger und Verarbeiter von Bioerzeugnissen, die im Vertrauen auf schnelleres Marktwachstum Betriebe oder Betriebszweige umgestellt haben. In diesem Spannungsfeld sehen sich auch viele Verbandsangestellte und bezahlte Funktionäre. Viele Stellen sind längerfristig nur zu finanzieren, wenn der Markt wächst.

Im Ergebnis ist hektische Betriebsamkeit festzustellen, um den Biomarkt zu befördern.

Als Exponent des Wissenschaftslagers tut sich der Neubrandenburger Prof. U. Hamm hervor. In seiner jüngsten Veröffentlichung Analyse des europäischen Marktes für Öko-Lebensmittel (AID-Heft 12/99) wiederholt er seine nicht mehr ganz so neuen Postulate für ein quantitatives Wachstum des Biomarkts:

  • die Verfügbarkeit von Bioeerzeugnissen muss verbessert werden;

  • Bio-Lebensmittel müssen billiger werden;

  • ein einheitliches Logo (Prüfzeichen) muss her;

  • die großen Ketten des konventionellen Lebensmitteleinzelhandels müssen die Vermarktung übernehmen.

In der politischen Sphäre hat diese Propaganda offensichtlich gefruchtet. Noch unter der Regierung Kohl wurden 6 Millionen DM durch die CMA (Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft mbH) zur Schaffung eines einheitlichen Logos bereitgestellt. Die neue Bundesregierung hat sich wohl auch den Überzeugungen von Prof. Hamm angeschlossen. Sie hat die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass demnächst auch der Markt für Biogemüse – einer der wenigen einkommensrelevanten Teilmärkte des Biobereichs, auf den noch keine Überschüsse drücken –, mit Flächenbeihilfen durch die Länder durcheinandergebracht wird. Eine Maßnahme zur Verbesserung der Marktverfügbarkeit.

Die Akteure in den AGÖL-Verbänden (Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau e.V.) haben mit langem Anlauf ein gemeinsames Prüfsiegel fertiggestellt. Die Szene wartet gespannt auf die Wirkungen. Hinter den Kulissen läuft ein heftiges Gerangel zwischen den Verbänden um die potenziellen neuen Kunden in den Einkaufszentralen der großen Unternehmen der Ernährungsindustrie und des Lebensmitteleinzelhandels. Keiner will zu kurz kommen. Deshalb wird parallel zum Prüfsiegel an den Verbandslogos gearbeitet, damit sie möglichst stromlinienförmig in die Marketingstrategien der großen Unternehmen und des Lebensmitteleinzelhandels (Ausnahme: Demeter) passen. Selbst Prof. Hamm ist sich nicht mehr so sicher, ob viel dabei herauskommt. (Begründung: Die Mittelausstattung ist zu gering). Im Lebensmitteleinzelhandel hat seit Herbst auch Edeka ein umfangreiches Biosortiment unter der Eigenmarke Bio-Wertkost in den Regalen. Damit ist Bioware nun flächendeckend im Lebensmitteleinzelhandel verfügbar.

Auch die Verarbeiter von Erzeugnissen der Biolandwirtschaft rüsten sich für Wachstum und Globalisierung des Biomarkts. Fusionswellen bei kleinen und mittleren Unternehmen der Branche und die strategische Ausrichtung großer Unternehmen auf den Wachstumsmarkt „Bio“ bestimmen derzeit den Trend. Europaweit agierende Unternehmen der Molkereibranche erweitern ihr Sortiment um eine Biolinie. Entsprechend werden kleine Biomolkereien aufgekauft oder durch Verträge gebunden. Auch im hochkonzentrierten Eier- und Geflügelfleischmarkt haben große Unternehmen bereits zur Ergänzung des Gesamtsortiments eine Bioschiene aufgebaut. „Alles aus einer Hand, wenn’s der Markt verlangt auch Bio“ heißt offensichtlich die vom Zeitgeist gewendete Parole in vielen Chefetagen von Lebensmittelindustrie und Handel.

Ideologiefreier Umgang mit Bioprodukten, wie ihn Prof. Hamm als Voraussetzung für Marktwachstum benennt, hat selbst in den Reihen der Funktionäre des DBV (Deutscher Bauernverband) Einzug gehalten. Sowohl auf der Bundes- als auch auf den Landesebenen hat der DBV Arbeitskreise für ökologischen Landbau eingerichtet und bemüht sich um Einfluss auf die Marktentwicklung.

Kommt nun der große Durchbruch?
Ich habe große Zweifel, ob das bisher angesprochene Marktförderungsinstrumentarium auf’s Ganze gesehen, insbesondere aber auch für die Bäuerinnen und Bauern im Ökolandbau Positives bewirkt:

  • Quantitatives Wachstum im Biomarkt – wenn es denn tatsächlich in nennenswertem Umfang erreicht wird – bedeutet noch lange nicht, dass daraus positive Effekte zur Verbesserung des Einkommens und zur Schaffung von ausreichend bezahlter Arbeit im ländlichen Raum resultieren.

  • Quantitatives Wachstum im Biomarkt ist auch nicht zwingend gleichzusetzen mit einer Verbesserung für Natur und Umwelt.

Verbesserung der Marktverfügbarkeit von Bioprodukten durch staatliche Beihilfen
Die als Extensivierungsprämien der EU gewährten Zuschüsse für Grünland und Ackerbau haben in kurzer Zeit zu massiven Marktungleichgewichten bei Biomilch, -fleisch und -getreide geführt. Die Preise für Biobrotgetreide sind von 80 bis 100 DM pro Dezitonne Anfang der 90er Jahre auf derzeit 40 bis 50 DM pro Dezitonne gefallen, sofern überhaupt zu Biopreisen vermarktet werden konnte. Bei einem angenommenen Ertragsniveau von 50 Dezitonne pro Hektar bedeutete das im Minimum einen Einnahmeverlust von 2000 bis 2500 DM pro Hektar. Die Prämie von 200 bis 450 DM pro Hektar je nach Bundesland gleicht diesen Preisrückgang bei Weitem nicht aus.

Auf der KonsumentInnen-Seite hat diese staatlich induzierte Produktionsausweitung keineswegs zu einer nennenswerten Nachfragebelebung geführt. Obwohl Biobrotgetreide seit Jahren reichlich verfügbar ist, sahen sich nur wenige Bäckereien oder Brotfabriken zum Einstieg in dieses Marktsegment veranlasst; ganz offensichtlich traut man in diesen Fachkreisen dem Markt nicht das zu, was die Marktprognosen versprechen.

Dieser Widerspruch wird nun damit erklärt, dass Vollkornprodukte nicht mehr im Trend sind. Bioweißmehlprodukte sind angesagt. Ich will diese – in den Verbänden teilweise heftig geführte – Debatte hier nicht vertiefen. Im Ergebnis sehen wir uns auf der Erzeugerebene mit Qualitätsanforderungen an Biogetreide (Klebergehalt, Fallzahl) konfrontiert, die auf vielen Standorten gar nicht mehr erzielbar sind.

Hochwertiges Biogetreide in diesem Sinn wird deshalb aus Ungarn importiert – dort ist es zudem auch noch billiger.

Bioprodukte müssen billiger angeboten werden
Interessant, aber nicht neu ist ein weiteres Phänomen der Marktentwicklung im Getreidebereich: Obwohl die Erzeugerpreise drastisch gefallen sind, ist der Biobrotpreis in den meisten Fällen mit den sonstigen Betriebskosten der Bäckereien sogar angestiegen. Vom konventionellen Markt kennen wir die Entkopplung von Rohstoff- und Konsumgutpreis seit vielen Jahren.

Dem zum Trotz postulieren die Experten umso lauter die These, dass der Biomarkt erst richtig wächst, wenn die Preisaufschläge im Vergleich zur konventionellen Ware moderat ausfallen. 30 bis 50 Prozent Aufschlag ist Hamms Vorgabe.
Bei den Zentraleinkäufern der großen Lebensmitteleinzelhandels-Ketten ist diese Empfehlung offensichtlich auf fruchtbaren Boden gefallen. Einer dieser Zentraleinkäufer benutzte kürzlich bei einem Sondierungsgespräch diese Vorgabe gleich wie ein Preisdiktat. Wenn wir (ich habe im Namen unseres Erzeugerzusammenschlusses für Biokartoffeln und Feldgemüse angefragt) im Jahr 2000 mit diesem Abnehmer ins Geschäft kommen wollen, dürfe unsere Preisvorstellung die offensichtlich magische Zahl von 30 Prozent Aufschlag nicht überschreiten. Und die Ware müsse natürlich den üblichen Anforderungen entsprechen, als Bioware zusätzlich gekennzeichnet werden (Salate in einen Folienbeutel mit dem Firmenlogo den wir natürlich bezahlen müssen), vorverpackt oder baderoliert sein usw. Dazu kommen noch die in dieser Branche üblichen Geschäftsbedingungen: Skontoabzug trotz langer Zahlungsziele und Beteiligung an diversen sonstigen Geschäftskosten. Bliebe unter dem Strich ein Mehrerlös gegenüber konventioneller Ware von weniger als 20 Prozent. Ich habe kein Angebot abgegeben.

Ich hoffe nicht, dass dieses Unternehmen auf dieser Grundlage Biogemüse in seine Regale bekommt. Aber sicher bin ich mir da nicht. Dafür sorgt in den nächsten Jahren möglicherweise die Einführung der Flächenbeihilfen für den großflächigen Biogemüseanbau. Bei der Propaganda, die derzeit in den Verbänden für den Gemüseanbau gemacht wird, ist bei Feldgemüse mit einer spekulativen Marktausweitung zu rechnen. Insbesondere die Betriebe, die bei geeigneten Boden- und Klimabedingungen über rationelle Erzeugungs-, Lagerungs- und Marktaufbereitungstechnologien verfügen, wittern ihre Chance. Die „große Produktion“ kann nur über den Preis an den Markt kommen, dafür aber gleich europaweit, denn die Entfernung setzt bei den heutigen logistischen Möglichkeiten keine Grenzen mehr.

Biokopfsalat aus der Pfalz, geerntet vom Salatvollernter, für 99 Pfennig, Biomöhren aus Niedersachsen, vollautomatisch sortiert und gewaschen in der folierten 500gr-Schale für 1,49 DM pro Kilo, Bioblumenkohl, von polnischen Saisonarbeitern in der Magdeburger Börde geschnitten für 1,99 DM pro Stück in ganz Deutschland in den Regalen der großen Lebensmitteleinzelhandels-Ketten. Darüber hinaus ein florierender Absatz nach Nordeuropa und sonstwo hin auf der Welt, wo die deutsche Biogroßproduktion wettbewerbsfähiger ist. Soll so die Realität des zukünftigen Biomarkts aussehen? Sind das unsere Visionen vom verantwortlichen Umgang mit der Erde?

Bedenken
1.    Es besteht die Gefahr, dass die „große“ Bioproduktion und der Lebensmitteleinzelhandel dezentrale, vielfältig strukturierte bäuerliche Betriebe, Naturkostverarbeiter und -händler verdrängt und sinnvolle Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten vernichtet.

Es waren gerade die kleinen und mittleren bäuerlichen Betriebe, die infolge des Preisverfalls bei Biogetreide in den Gemüseanbau, die Weiterverarbeitung von Nahrungsmitteln (Käserei, Brotbacken) und die Direktvermarktung eingestiegen sind. Im Verbund mit den Naturkostläden und den regional agierenden Naturkostgroßhändlern entstand so langsam, aber beständig ein vielfältiger, kleinräumiger und transparenter Markt für Bioprodukte. Von den etablierten Kreisen der Agrarlobby, der Nahrungswirtschaft und des Handels wurde dieser Zweig zunächst belächelt, dann heftig ideologisch bekämpft. Heute möchten diese Kreise die Früchte der Aufbauarbeit ernten.

2.    Es besteht die Gefahr, dass die ökologische Qualität der Biolandwirtschaft und die geschmacklichen und inhaltlichen Qualitäten vieler Bioerzeugnisse zurückgehen.

Grundsätzlich ist über die EU-Verordnung Nr. 2091 und die Richtlinien der Verbände das Verbot von giftigen Agrochemikalien gewährleistet. Damit allein lässt sich der Qualitätsstandard von Biolebensmitteln aber nicht definieren. Auch die Produktionsweise im Biolandbau ist von erheblicher Bedeutung.

So ist zum Beispiel nicht auszuschließen, dass die bisher nachweisbaren geringen Nitratgehalte von Möhren oder anderen Gemüsearten in dem Maße ansteigen, wie große, rationelle Produktionsweisen den Markt bestimmen.

Der Einsatz von Vinasse (Abfallprodukt der Zuckerfabriken) oder separierter Gülle als zulässige organische Stickstoffdünger wird erst interessant, wenn sich die erforderlichen Applikationstechniken lohnen. Damit kann dann ähnlich der Wirkung von verbotenem mineralischen Stickstoff unabhängig von der betriebseigenen Tierhaltung und der Fruchtfolgegestaltung Ertragssteigerung erzielt werden. Zwischen Ertragsniveau und innerer Qualität besteht bei den meisten Gemüsesorten ein antagonistischer Zusammenhang.

Ein anderes Beispiel ist der Einsatz von Kupferpräparaten zur Vorbeugung gegen Kraut- und Knollenfäule bei Kartoffeln. Auch hier sind die erforderlichen teuren Applikationstechniken (Unterblattspritzung) erst in großen Produktionseinheiten wirtschaftlich. Da die Anwendung von Kupferpräparaten nach der EU-Verordnung zulässig ist, entschärft ein Bioverband nach dem anderen unter dem Druck der großen Kartoffelanbaubetriebe, die mit Austritt drohen, die verbandsinternen Regeln, obwohl der Kupfereinsatz nach wie vor unter ökologischen und gesundheitlichen Gesichtspunkten heftig umstritten ist.

3.    Es stellt sich die Frage, welche strukturellen Vorteile für das Agrarökosystem hochspezialisierte Biobetriebe mit wenigen Produktionsverfahren noch haben.

Schließlich ist hinreichend bekannt, dass für wildlebende Tier- und Pflanzenarten nicht nur die Art der Bewirtschaftung (Bio oder konventionell) sondern auch die Vielfalt und Intensität der Nutzungen und der Grad der Mechanisierung von Bedeutung ist. In dem Maß, wie der ökologische Landbau demselben Strukturwandel wie die konventionelle Landwirtschaft unterzogen wird, schwinden im gleichen Umfang die ökologischen Vorteile dieser Landwirtschaftsmethode.

Schlussfolgerungen
Im Prinzip ist es zu begrüßen, wenn auch die großen Unternehmen der Ernährungswirtschaft und des Handels zu einem schnelleren Wachstum des Biomarkts beitragen wollen. Doch dürfen dabei nicht elementare Grundlagen des ökologischen Wirtschaftens über Bord geworfen werden. In der Marktmacht und Größe der neuen Marktpartner steckt für die weitere Entwicklung des Ökolandbaus ein großes Risiko. Die Größe allein ist jedoch nicht das Problem, sondern das ökologische und ökonomische Grundverständnis, mit dem Geschäfte gemacht werden. Praktische Erfahrungen zeigen, dass Kriterien wie regionale Herkunft, bäuerlich/ökologische Produktionsweise und partnerschaftliche Preisgestaltung durchaus auch in der Geschäftsphilosophie von Lebensmitteleinzelhandels-Unternehmen Platz finden können. Insbesondere regional agierende Firmen (z.B. Tegut, Fulda) stellen mit ihren Erfolgen im Biomarkt unter Beweis, dass diese Geschäftsphilosophie auch von der Kundschaft honoriert wird, wenn sie glaubwürdig vermittelt wird.

Die Ökobetriebe und ihre Verbände (Verbandsangestellte, Vermarkter) sind keinesfalls nur Opfer, sondern auch Mitgestalter der zukünftigen Entwicklung im Biomarkt. Nach wie vor genießt der ökologische Landbau in der Öffentlichkeit ein hohes Ansehen. Deshalb ist es für mich unverständlich, warum die politische Diskussion um die Zukunft des Ökolandbaus nur in kleinen Zirkeln besorgter Biobauern geführt wird, anstatt sie dahin zu tragen, wo sie fruchtbringend wirken kann: In den Köpfen der (potentiellen) Kundinnen und Kunden, die Bio-Nahrungsmittel nicht nur zur physischen Sättigung kaufen (wollen). In dem Maß, wie die ganzheitlichen Zusammenhänge von ökologischem Landbau und Handel transparent und bewusst gemacht werden, wird es den Akteuren, egal auf welcher Ebene, schwerer fallen, ihr Tun ausschließlich nach Profitmaximierungsintessen auszurichten.

Unser großer Vorteil in der Praxis ist, dass wir unsere Überzeugungen nicht nur in Worten ausdrücken können. Nach wie vor ist die Direktvermarktung von Bioprodukten über Marktstände und Hofläden die überzeugendste Handelsvariante. Dieser Weg des direkten, regionalen Austauschs von Erzeugern und Verbrauchern muss konsequent verbessert und ausgebaut werden. Durch überbetriebliche Kooperationen
(Arbeitsteilung) zwischen den Betrieben in den Regionen müssen Rationalisierungsreserven ausgeschöpft werden, um auch auf der preislichen Ebene mithalten zu können. Auch auf der Vermarktungsseite sind effizientere Konzepte (Vollsortimente, Selbstbedienung, attraktives Ambiente, gute Lagen usw.) eine unabdingbare Voraussetzung für die Zukunftssicherung. In eigener Regie und in Kooperation mit dem Naturkosthandel und den Teilen des Lebensmitteleinzelhandels, die auch in Zukunft ihre ganzheitliche Verantwortung für Natur und Umwelt bewusst übernehmen wollen, werden wir uns so das Vertrauen der BiokundInnen trotz oder gerade wegen der Globalisierungstendenzen im Biomarkt erhalten können.

 

Email: Dietmar Groß
Dietmar Groß, 46, lebt mit Familie (Frau, 2 Söhne, 10 u. 16 Jahre, Eltern) auf dem Familienbetrieb in Homberg-Mühlhausen. Nach der landwirtschaftlichen Lehre absolvier te er ein Fachstudium in Witzenhausen, anschließend ein Zweitstudium im Fach Landschaftsplanung in Kassel. Zwei Jahre berufliche Tätigkeit an der Hochschule reichten aus zu der persönlichen Erkenntnis, dass Reden und Schreiben über die ökologische Zukunft der bäuerlichen Landwirtschaft allein noch keine Veränderungen bewirken. Deshalb widmete er sich nach der Hofübernahme 1986 ausschließlich der Landwirtschaft und stellte 1988 auf Ökolandbau um. Der 40 ha große Betrieb beschäftigt inzwischen in den vier, teils neu aufgebauten Betriebszweigen Schweinezucht und Mast (25 Sauen, 200 Mastschweineplätze), Ackerbau (37 ha), Gartenbau ( 1000 qm Gewächshäuser, drei ha Freiland) und Direktvermarktung (Hofladen, Wochenmarktstände) regelmäßig neun Arbeitskräfte.

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