xxx
Elisabeth Voß

Einleitung: Der feministische Blick auf Nachhaltiges Wirtschaften

In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit der feministischen Sichtweise auf Nachhaltige Entwicklung. Dabei fällt auf, dass der feministische Diskurs stark geprägt ist von praktischen Erfahrungen aus den Lebensrealitäten von Frauen und ihren Familien, und dass die Globalisierung der Debatte weit fortgeschritten ist. Seit Jahren arbeiten v.a. Forscherinnen um Prof. Maria Mies an der Entwicklung einer „Subsistenzperspektive“ (auch bekannt als „Bielefelder Wissenschaftsansatz“).1 Ausgehend von der Unterdrückung und Zerstörung von Frauen, Natur und sog. „Dritter Welt“ durch patriarchale, kapitalistische Wirtschaftsstrukturen werden theoretische und praktische Ansätze einer auf Selbstversorgung mit dem Lebensnotwendigen ausgerichteten Ökonomie entwickelt.

Alle drei Beiträge dieses Kapitels machen deutlich, dass Nachhaltiges Wirtschaften aus feministischer Sicht in erster Linie Wiederaneignung der Produktion für primäre Lebensbedürfnisse sowie tendenzielle Vergesellschaftung der Reproduktionsarbeit auf regionaler Ebene bedeutet. Solche Projekte funktionieren kleinteilig und dezentral. Diese Gegenbewegung zu den Zentralisierungsbestrebungen der globalisierten Industrie wird bislang gesellschaftlich viel zu wenig gewürdigt. So ist z.B. der Bestand der Ruralen Frauenforschung an der Berliner Humboldt Universität aktuell durch Mitteleinsparungen gefährdet. Aus der Arbeit dieses Instituts stammt der Beitrag Perspektiven der Frauenarbeit im ländlichen Raum von Rita Schäfer und Parto Teherani-Krönner, der am Beispiel von Frauenprojekten in Westafrika, Iran und Honduras aufzeigt, welche Bedeutung diese Kooperativen sowohl für die Ernährungssicherung als auch für den Marktzugang der beteiligten Frauen haben.

In Weibliche Ökonomie statt Globalisierung berichten Elisabeth Meyer-Renschhausen (Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe Agrar-Kultur & Sozioalökologie an der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin) und Christophe Kotanyi (Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Kleinstlandwirtschaft und Gärten in Stadt und Land, Institut für Soziologie der Freien Universität zu Berlin) von der Internationalen Gartenkonferenz im Juli 2000 in Berlin. Unterschiedliche Betriebe und Projekte stellten ihre Formen der Subsistenzproduktion vor, etliche praktische Beispiele aus Berlin und dem Berliner Umland wurden besichtigt. Die Bandbreite reichte vom Schulgarten im Land Brandenburg bis zu existenzsichernden Kooperativen in Afrika und Asien. Theoretische Beiträge beschäftigten sich mit dem spezifisch Weiblichen an dieser „vorsorgenden Wirtschaft“.

Im Auszug aus einer Diskussion zwischen den vier Wissenschaftlerinnen Heide Mertens, Carola Möller, Ulla Peters und Irina Vellay: Solidarisches Wirtschaften – wider die Zerstörungen geht es um die besonderen Schwierigkeiten regional-ökonomischer Projekte in Armutsregionen in den USA und Großbritannien. Hier wird sehr deutlich, aus welch privilegierter Position hierzulande die Diskussion um regionale Ökonomie geführt wird, während anderswo ganz praktisch das alltägliche Überleben und die Bekämpfung von Hunger der Antrieb für Subsistenzprojekte sind.

Anmerkungen
1    Maria Mies ist Professorin (i.R.) für Soziologie an der Fachhochschule Köln. Sie ist seit vielen Jahren aktiv in der Frauen-, Ökologie- und Dritte-Welt-Bewegung und hat zahlreiche Artikel und mehrere Bücher zu diesen Themenkomplexen veröffentlicht, u.a. »Patriarchat und Kapital« (1988), »Ökofeminismus« (1995) (zus. mit Vandana Shiva), »Eine Kuh für Hillary: Die Subsistenzperspektive« (1997) (zus. mit V. Bennholdt-Thomsen). Sie ist seit Sommer 1997 aktiv in der Anti-MAI-Kampagne

 

Email: Elisabeth Voß
Elisabeth Voß ist Mitherausgeberin dieses Jahrbuchs, seit vielen Jahren aktiv im TAK AÖ und anderen alternativökonomischen Zusammenhängen, Veröffentlichungen u.a. in Contraste - Monatszeitung für Selbstorganisation und im Kommunebuch (Verlag Die Werkstatt 1996).

  WEITERFÜHRENDE LINKS:
  | TOP | DIESE SEITE DRUCKEN|