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Uli Barth

Die Rentenreform
Ein Meilenstein zur Entsolidarisierung der Gesellschaft

Die Rentenreform ist mittlerweile in trockenen Tüchern. Nach den vielen Wirrnissen und Ungereimtheiten, die dieses Gesetzesvorhaben in seiner Entstehungsgeschichte begleitet haben, kann mensch aber davon ausgehen, dass die Eckpunkte geklärt sind. Die noch ausstehenden Details versprechen der einen oder anderen Interessengruppe zwar noch Milliardengeschäfte und sind daher durchaus von Belang, aber an den Kernpunkten ändert sich nichts mehr.

Was sind die Essentials der Reform? Zunächst die vollkommen willkürlich gesetzte Obergrenze der Beitragshöhe von 22 Prozent des Bruttolohns und als zweites der Einstieg in die Privatisierung der Altersvorsorge.

Behauptung Nummer 1: Die Beitragshöhe muss stabil bleiben
Die Bundesregierung und mit ihr die Mehrheit in den sie tragenden Fraktionen behauptet, der Beitrag zur gesetzlichen Alterssicherung dürfe bis zum Jahr 2030 die Grenze von 22 Prozent nicht übersteigen. Dies wurde als unhinterfragbarer Glaubenssatz gepredigt und bedarf daher keinerlei Begründung mehr. Er knüpft an die in den letzten Jahren künstlich hochgekochte Standort-Debatte an, nach der die Wettbewerbsfähigkeit des Landes durch die angeblich zu hohen Lohnnebenkosten gefährdet sei. Davon geht die herrschende Politik aus, quer durch alle Parteien, mit Ausnahme der PDS. Berechnungen, dass dies im europäischen Vergleich keineswegs der Fall ist, dass im Gegenteil unter Beachtung der Produktivitätsentwicklung die Lohn- und Gehaltskosten in Deutschland durchaus konkurrenzfähig sind, fanden kein Gehör. So wurde die Begrenzung der Höhe der Rentenversicherungsbeiträge zu einem Hauptziel der Reform erklärt.

Dass die Öffentlichkeit bei dieser Frage zusätzlich noch betrogen wird, fällt vor der Problematik des geschilderten Sachverhalts kaum noch auf. Die Beitragsstabilität wird durch diese Reform nur für die ArbeitgeberInnenseite gesichert. Die ArbeitgeberInnen zahlen im Jahr 2030 die Hälfte von 22 Prozent, also 11 Prozent in die Altersversicherung ein. Die ArbeitnehmerInnen sollen nach dieser Reform künftig 11 Prozent in die gesetzlichen Kassen zahlen und zusätzlich 4 Prozent privat in ihre Alterssicherung investieren. Für ArbeitnehmerInnen wird es also nichts mit der Begrenzung der Beiträge, sie zahlen das was die ArbeitgeberInnen einsparen zusätzlich ein – eine Umverteilung der Belastung von oben nach unten.

Nach seriösen Berechnungen würde ein Gesamtbeitrag von 24 Prozent des Bruttolohns, bei gleicher Aufteilung zwischen ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen, ausreichen um auch 2030 die Renten auf dem derzeitigen Niveau zu halten. Von den Regierenden wird aber die Grundfrage der Alterssicherung peinlichst verschwiegen: Die Finanzierung der Altersversorgung ist, jenseits aller Detaildiskussionen und Finanzierungssysteme, ein Verteilungsproblem. Wie werden die Lasten verteilt zwischen den Generationen? Wie zwischen Arm und Reich?

Behauptung Nummer 2: Eine Kapitaldeckung ist unumgänglich
Das bisherige System der Alterssicherung beruht auf dem Umlageprinzip. Das heißt, für die Leistungen im Alter wird kein Kapital angespart, die Leistungen an die alten Menschen werden unmittelbar aus den Beiträgen der heute arbeitenden Menschen finanziert. Die herrschende und landauf, landab veröffentlichte Meinung sagt nun, infolge der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft, Stichworte Geburtenrückgang und zunehmende Lebenserwartung, kann das Umlageverfahren die Finanzierung nicht mehr sicherstellen, es müssten Kapitalstöcke gebildet werden, die dann im Alter aufgelöst und verkonsumiert werden könnten. Auch diese Ansicht ist ein reiner Glaubenssatz, der nicht hinterfragt wird, obwohl die konkrete Umsetzung, neben den enormen Geschäften, die damit gemacht werden können, jede Menge Probleme aufwirft und die zugrundeliegenden Annahmen falsch sind.

Im Vorfeld der grossen Rentenreform von 1957 wurde deutlich gemacht, dass einmal angesammeltes Kapital sich nicht verkonsumieren lässt. Wenn Geld für das Alter zurückgelegt wird, soll es Zinsen bringen oder zumindest seine Kaufkraft erhalten. Dies funktioniert im herrschenden System nur wenn es investiert wird, wenn es dort zum Einsatz kommt, wo Menschen Werte schaffen, also letztlich in einem wie auch immer gearteten Produktions- oder Dienstleistungsprozess. Ob nun konkret in einen Holzpflug, einen Computer oder in ein Programm zur Internetnutzung investiert wird, ist egal. Solange mit dem Computer oder dem Pflug gearbeitet wird, entstehen Produkte oder Dienstleistungen, die nachgefragt werden und einen Ertrag erbringen. Nimmt die Zahl der arbeitenden Menschen ab, können die Produktionsmittel nicht mehr verwertet werden, ist der Computer wertlos und somit auch das darin steckende Kapital. Der Computer selbst ist nicht essbar, genausowenig wie der Holzpflug.

Das heißt am Generationenproblem kommt auch ein kapitalgedecktes Alterssicherungssystem nicht vorbei. Die Hoffnung, andere Länder hätten dieses Problem nicht und unser Kapital könne dann im Ausland rentierlich angelegt werden, steht auf tönernen Füßen. Wenn auch unterschiedlich ausgeprägt existiert das Generationenproblem bereits heute in allen entwickelten Ländern. Ob die nötigen Renditen aus den weniger entwickelten Ländern herausgepresst werden können, ist ökonomisch fraglich, politisch wahrscheinlich nicht umsetzbar und moralisch sowieso verabscheuungswürdig.
Die Annahme, kapitalgedeckte Alterssicherungssysteme seien unabhängig vom Generationenproblem, ist generell falsch. Darüberhinaus haben kapitalgedeckte Systeme aber noch zusätzliche Probleme. Sie reichen von auftretenden Konflikten auf internationaler Ebene bis hin zu der Tatsache, dass die Rendite des Kapitals sinkt, je mehr anlagesüchtiges Kapital um den Erdball schwappt. Klammheimlich hat die Bundesregierung daher ihre Renditeerwartungen für das Anlagekapital reduziert. Sie sind aber mit 4 Prozent immer noch zu hoch und deshalb wird die Rechnung auch auf dieser Ebene nicht aufgehen können, selbst wenn das System sonst wie erträumt funktionieren sollte. Weiterhin gibt es bei der kapitalgedeckten Alterssicherung keine Absicherung gegen den Geldwertverlust.

Die Privatisierung ist der falsche Weg. Eine solidarische Alterssicherung muss auch in den folgenden Jahren Thema bleiben. Ansatzpunkte bieten sich genug: die unkontrollierbare Macht der Versicherungskonzerne, die nicht realisierbaren Gewinnerwartungen, die abschreckenden Beispiele der angelsächsischen Länder, die diese Sackgasse bereits länger beschreiten und mit zunehmender Altersarmut belohnt werden und positive Beispiele wie in der Schweiz, die zeigen, dass eine solidarisch finanzierte Alterssicherung möglich ist.

 

Email: Uli Barth
Uli Barth ist „Gründungsmitglied“ der Kommune Niederkaufungen. Kontakt: Kirchweg 1, 34260 Kaufungen, Tel: 05605/80070 oder 800731, fax: 05605 – 80040

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