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Nils Buis / Jaap van Leeuwen

Ideen zu einer anderen Ökonomie

Es gibt viele Individuen und Gruppen, die das System des Wachstums nicht nur anprangern, sondern auch Alternativen haben. Oft geht es dabei um Ideen auf makro-ökonomischem Gebiet, die die weltweit herrschenden Prinzipien angreifen und auf diesem Niveau mit einer Alternative kommen. Hier wollen wir auf die Ideen etwas tiefer eingehen, die von zwei solchen Organisationen vorgebracht werden: Stiftung Aarde (Erde) und Strohalm (Strohhalm). Bei beiden Organisationen liegt die Betonung auf der Entwicklung von alternativen Ideen für die herkömmlichen ökonomischen Prozesse, obwohl vor allem Strohalm versucht, die Umsetzung der Theorien in die Praxis zu stimulieren. Landesweite Unterstützung der LETS-Kreise, das Initiieren von Pergola-Zusammenschlüssen in gemeinsamer Arbeit mit der ASN Bank und das Erstellen von steuerfreien Fonds sind Beispiele dafür.

Aktie Strohalm
Die Stiftung Aktion Strohalm, inzwischen umbenannt in Strohalm, wurde Anfang der siebziger Jahre errichtet. Von Anfang an hat die Organisation versucht, den Zusammenhang zwischen Umweltproblemen einerseits und Ökonomie und Gesellschaft andererseits aufzuzeigen. In den siebziger Jahren lag der Akzent vor allem auf Umweltthemen wie Kernenergie und Entwaldung, seit den achtziger Jahren konzentriert die Stiftung sich immer mehr auf ökonomische Alternativen.1 Beispiele für Strohalm-Alternativen sind die Kampagnen zur Ökosteuer-plus und zur Flugsteuer, die Unterstützung von LETS und Pergola und der zusammen mit der ASN Bank gewagte Versuch, einen zinsfreien Fonds auf die Beine zu stellen.
Die Arbeit von Strohalm konzentriert sich auf die Rolle des Geldes in der Gesellschaft und mögliche Alternativen zum Geldsystem. Strohalm sucht nach „finanziellen Mikro-Initiativen“, Alternativen, mit denen Leute lokal an einer nachhaltigen Ökonomie arbeiten können.2
Die neueste Initiative von Strohalm ist die Gründung des Liquid Capital Circuits. Kurz gesagt ist das LCC ein Handelsnetz, welches KonsumentInnen und Betriebe vereint, wobei man untereinander Güter und Dienstleistungen austauscht und das in einer eigenen Tauscheinheit abrechnet. Der Hintergrundgedanke eines solches Systems ist, dass alle Transaktionen sich in einem eigenen Kreislauf, also außerhalb des heutigen Geldsystems abspielen, ohne dass Zinsen dazu kommen. Eigentlich ist es eine Weiterentwicklung und Kombination von LETS mit den Bartersystemen (Tauschhandel unter Betrieben)

Die Idee des LCC entstand aus den Problemen, mit denen vor allem kleine Betriebe zu tun haben und die hauptsächlich aus den Einschränkungen durch das Geldsystem herrühren. Bei der Analyse des Geldsystems unterscheidet Strohalm zwei Kreisläufe. In dem einen werden Produktion und Konsum erledigt, der andere Kreislauf ist durch Spekulation und den Handel mit Eigentum, Forderungen und Schulden gekennzeichnet. Zwischen beiden Systemen besteht ein sogenanntes „Geldleck“, eine undichte Stelle: Der spekulative finanzielle Kreislauf zapft auf verschiedene Arten Geld vom produktiven Kreislauf ab, unter anderem durch die hohe Rendite innerhalb des finanziellen Kreislaufs. Das aus dem produktiven Circuit abgeflossene Geld wird dann wieder angefüllt, indem die Banken über Darlehen neues Geld im produktiven Kreislauf in Umlauf bringen. Aus diesem entstehen dann wiederum Zinsbelastungen, wodurch der klassische Teufelskreis entsteht – mit dem auch weltweit die unter ihren Zinsen zusammenbrechenden sogenannten Dritte-Welt-Länder zu kämpfen haben – in dem immer neue Darlehen aufgenommen werden müssen um die zunehmenden Schuldentilgungen und Zinsen bezahlen zu können. Daraus entsteht eine Ökonomie, in der Produktion und Konsum wachsen müssen, was zur Folge hat, dass Natur, Mensch und Umwelt immer weiter ausgebeutet werden und die Schulden zunehmen, während sich eine kleine Gruppe unbegrenzt bereichern kann. Mittelstand und Kleingewerbe gehen zugrunde, während große Betriebe leichter Zugang zu Kapital haben, zum Beispiel über die Börse, und einen Großteil ihrer Transaktionen intern abwickeln können. Durch die Gründung des LCC-Handelsnetzes will Strohalm Mittelstand und Kleingewerbe aus diesem Zyklus befreien, wodurch sich ihre Konkurrenzposition verbessern würde und die Gesellschaft zugleich von der Zinslast erlöst werden könnte. Innerhalb des Handelsnetzes wird eine geschlossene Abrechnungsstruktur kreiert, wodurch Transaktionen untereinander nicht mehr in Geld bezahlt werden müssten. Das durch diesen Prozess freigewordene Geld wird direkt benutzt, um Vorräte anzulegen und Produktionsmittel zu erwerben. Hier wird dem Geld sein spekulativer Charakter genommen, was vor dem Hintergrund der Grundidee von Strohalm der wichtigste Vorteil eines solchen Handelsnetzes ist. Denn eine zinsfreie Ökonomie sorgt dafür, dass ökonomische Auswahlmöglichkeiten nicht nur von finanziellen Überlegungen bestimmt werden. Anstelle der Frage, ob etwas (zum Beispiel der Bau eines Hauses) finanzielle Vorteile hat, macht man der Frage Platz, ob etwas gesellschaftlich erwünscht ist, wodurch viel mehr Raum entsteht für nachhaltige Investitionen.3

Stiftung Aarde
Ungefähr zur gleichen Zeit wie die Stiftung Strohalm, entstand Anfang der siebziger Jahre, die Stiftung Aarde. Zentrale Person bei Aarde ist Willem Hoogendijk, der früher an der Wiege vieler Initiativen stand, wie zum Beispiel Strohalm, der Radfahrvereinigung ENFB, des Milieu Informatie Centrum Utrecht und der Oekumenische Vereniging voor Goed Rentmeesterschap. Ziel der Stiftung Aarde ist es, Menschen tiefer nachdenken zu lassen über das, was die Stiftung „echte und gerechte Nachhaltigkeit“ nennt.4

Nachhaltigkeit – und damit auch nachhaltiges Wirtschaften ist jedoch ein Begriff der einer Inflation unterworfen ist. Willem Hoogendijk: „In der Regel nähert man sich nachhaltigem Wirtschaften innerhalb des herrschenden Paradigmas. Man denkt dann an rauchende Schlote mit so wenig Rauch wie möglich, Betriebe also, die ihre Güter und Dienstleistungen immer weiter produzieren, aber dann so umweltfreundlich wie es geht. Bei Stiftung Aarde graben wir etwas tiefer und denken, dass das System der dauernden und maximalen Produktion absurd ist. Stetige Produktion ist normal für Brot, Milch, Strom, für den Gesundheitsbereich und die Zeitung – für eine Menge anderer Dinge ist es unsinnig.“ Das macht deutlich, dass ökologische Auffassungen eine wichtige Rolle spielen aus der Sicht von Aarde. „Es gibt knallharte Umweltgrenzen. Was wir jetzt daran tun, ist noch gar nichts, es verschleiert nur die wirkliche Problematik auf diesem Gebiet.“ Aber auch die politischen, sozialen und ökonomischen Auffassungen von Hoogendijk sind sehr deutlich: „Auch innerhalb der herrschenden ökonomischen Theorie spricht man von Verschleierung, nämlich der Verschleierung der Geldmacht. Auch die Bildung steht im Dienste der herrschenden Ökonomie. So entsteht dauernd wieder Ungleichheit. Private Bereicherung ist das Gleiche wie allgemeine Verarmung. Man versucht zwar, den Kuchen etwas ehrlicher zu verteilen, aber einer wirklich ehrlichen Verteilung wird durch ökonomisches Wachstum aus dem Weg gegangen, wodurch etwas mehr Krümel für die ‚Armen‘ übrig bleiben, aber sich nicht wirklich viel verändert. Wir finden deshalb, dass die Befreiung der Umwelt und die Befreiung der Arbeit ein und derselbe Prozess ist.“

Stiftung Aarde beschäftigt sich nicht speziell mit nachhaltigem Wirtschaften, sondern mit der „Veränderung des Kontextes der Beschäftigung“. Das schreit nach einer wörtlich „umwerfenden“ Bewegung, die sich nicht auf die Verschmähung, sondern auf die Befreiung der Unternehmer, die ja gewöhnlich auch nur die Gefangenen des Systems sind richtet. Dies könnte ermöglicht werden durch eine lokale Ökonomie in kleinem Umfang. Im Rahmen eines Entwurfs für nachhaltige städtische oder regionale Ökonomie plädiert Aarde dafür, das Geld im Stadtviertel, in der Stadt oder Region zu halten, um so der örtlichen Beschäftigung die Kaufkraft zu erhalten und diese zu fördern. Dadurch würde es einfacher, die ökologischen und sozialen Aspekte dieser Geschäftigkeit unter Kontrolle zu bekommen.

Die Stiftung entfaltet viele Aktivitäten: neben der Herausgabe einiger Veröffentlichungen auf dem Gebiet der nachhaltigen Ökonomie veranstaltet Stiftung Aarde Vorträge und Trainings und forscht, berät und ist in verschiedenstes Networking involviert.5 Die Teilnahme an und Gründung von Organisation, Netzwerken und Allianzen hat zum Ziel, mehr Einfluss zu bekommen, Wissen und Erfahrungen auszutauschen und neue Aktivitäten ins Leben zu rufen. Deshalb ist Aarde Mitglied von Attac Nederland und nimmt teil am Kritisch Landbouw Beraad (einer Organisation von BäuerInnen, die nach Beruhigung, einem normalen Einkommen und Wohnen auf dem lebenswerten und grünen Land streben), am Projekt Alternativen zum Neoliberalismus (mit der Katholischen Universität Brabant und XminusY), und sie ist aktiv in Netzen wie der David-Allianz (in der eine kleine Zahl von NGO‘s ihre Kräfte bündelt), dem Europäischen Netz für ökonomische Selbsthilfe und lokale Entwicklung und dem Nederlands Netwerk voor sociale Economie, welches der niederländische Zweig für das oben genannte europäische Netz werden soll.

Anmerkungen
1 Strohalm voor de verandering, Utrecht 2000
2 Was Strohlam denkt und tut, Utrecht, December 1997
3 Was ist LCC? Interne notitie Strohalm, 2000
4 EarthKweek, Nieuwsbrief von Stichting Aarde, no 1, September 1998
5 Stiftung Aarde – Activiteitenoverzicht, Utrecht, November 2000

 

Nils Buis arbeitet als Grafik-Desginer in seinem Betrieb „Om tekst en vorm“ und im Utrechter Wohnprojekt „de bonte kaketoe“. Er ist Mitglied des Vereins „Solidair“. Jaap van Leeuwen arbeitet im Bereich Beratung nachhaltige Technologien, „ADT“ (Advies duurzame technologie). Er ist Mitglied des Vereins „Solidair“.
WEITERFÜHRENDE LINKS:
www.solidair.nl
www.aarde.org
www.strohalm.nl
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