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Nils Buis / Jaap van Leeuwen

Nachhaltiger Konsum: Die Macht der KonsumentInnen

Das Streben nach Gewinnmaximierung führt unter globalisierten Wirtschaftsbedingungen zu weltweiten Verschiebungen der Produktion in Länder mit niedrigen Löhnen. Dies zieht vielfältige ökologische und soziale Probleme nach sich. Im Wesentlichen gibt es zwei mögliche Strategien, diese zu bekämpfen.

Zum einen indem auf eine Art produziert wird, bei der Nachhaltigkeit groß geschrieben wird. In kleinem Umfang geschieht dies bereits, es gibt zahlreiche nachhaltige Produkte aus verschiedenen Branchen, vor allem im Lebensmittelbereich. Dabei fällt auf, dass diese Produkte zwar oft ökologisch nachhaltig sind, aber soziale Nachhaltigkeit kaum eine Rolle spielt. In der Regel handelt es sich um einzelne Initiativen, von einer gemeinschaftlichen Organisationsform kann man nicht sprechen, eine Aussicht auf die Entstehung einer gesellschaftlichen Gegenbewegung fehlt. Darum gehen wir hier nicht weiter darauf ein.

Eine andere Möglichkeit ist es, als KonsumentIn die negativen Folgen dieser Produktionsweise so weit wie möglich zu beschränken. KonsumentInnen haben eine gewisse Macht, wenn sie ihre Interessen bündeln. Manchmal werden der Produktion Steine in den Weg gelegt und es zeigt sich diese Macht, wie zum Beispiel beim Boykott von Apartheidsprodukten (Outspan) in den siebziger und achtziger Jahren oder kürzlich noch beim Boykott von Shell im Zusammenhang mit der Brent Spar. Eine Organisation wie de alternatieve konsumentenbond AKB (alternative Verbraucherverbände) beschäftigt sich mit Aufklärung über (nicht) vertretbare Produkte und schädliche, aber auch gute Tendenzen vor allem in der Herstellung von Lebensmitteln. Der AKB ist Herausgeber des Magazins Kritisch Konsumeren (Kritisch Konsumieren) und verbreitet seine Informationen über Prospekte, einen Servicedienst für Fragen und sein Dokumentationszentrum. Dann richtet sich der AKB mit Kampagnen – u.a. „Wieviele Kilometer isst du?“ – auf die Beeinflussung der öffentlichen Meinung und ein anderes Verhalten bei der Mittelschicht, den ProduzentInnen und in der Politik selbst. Beim Kritisch Konsumeren wird nicht nur über die Produkte an sich geschrieben, sondern auch über die Betriebe, die sie produzieren. Bei der Beurteilung eines Produktes werden eine Anzahl Kriterien einbezogen, wie Arbeitsumstände und das Konzept des ehrlichen Handelns. Was das letzte betrifft, richtet sich der AKB hauptsächlich auf die Situation der Bevölkerung in „Dritte-Welt“-Ländern, wo viele der hier erhältlichen Lebensmittel herkommen. Es gibt viel Aufmerksamkeit für Max Havelaar- und Fair Trade-Produkte.1

Der Einzelhandel
Zwischen ProduzentInnen und KonsumentInnen stehen Groß- und Einzelhandel. Besonders in der letzten Zeit breitet sich die Zahl der Naturkostläden aus, unter anderen die Anzahl der Filialen von großen Ketten wie Groene Winkel, Gimsel und Natuurwinkel. Aber auch die ‚normalen‘ Supermärkte haben ein immer größeres Angebot an biologischen Produkten. In vielen größeren Orten sind auch die sogenannten Voedselcoöps (Lebensmittel-Kooperationen) aktiv. Voedselcoöps entstanden durch Aversionen gegen den zunehmenden Kommerz bei den Naturkostläden, und dem Bedürfnis, biologische Produkte bezahlbar zu lassen und damit mehr Leuten zugänglich zu machen. Sie arbeiten mit Ehrenamtlichen, die mit den KundInnen in einer Kooperation verbunden sind. Indem auf dem Weg zwischen ProduzentInnen und KundInnen einige Schritte übersprungen werden, hat man die Preise einigermaßen in der Hand, da bloß ein kleiner Zuschlag zum Einkaufspreis dazukommt. Oft geht ein Teil dieses Zuschlags an einen Fonds, aus dem andere Projekte unterstützt werden. Bei den Voedselcoöps gibt es viel Kritik an der kommerziellen Naturkostbranche, die vor allem die Gesundheit der Produkte betont, während die Umstände, unter denen produziert wurde, sowie Umweltaspekte und politische Argumente für bewussten Konsum nicht beachtet werden.2

Der Großhandel
Ein in Holland einzigartiger Betrieb ist der Großhandel biologischer Produkte De Nieuwe Band. Der Betrieb besteht seit 1983 und ist eine Kooperation von HändlerInnen, ProduzentInnen und Beschäftigten des Betriebes. Der Grundgedanke ist, dass die Produkte nicht nur zu einer Umwelt beitragen sollen, in der man leben kann, sondern dass man auch auf die Verhältnisse achtet, unter denen produziert wird. Kleine demokratische Betriebe, sowohl in Holland wie auch der „Dritten Welt“, haben bei De Nieuwe Band Vorrang. Man arbeitet zusammen mit Eco-fair, einer Organisation die weltweit aktiv ist, um lokalen Bauern einen guten Preis für ihre biologischen Produkte zu garantieren.
Der Betrieb arbeitet selber mit einer Art Arbeiterselbstverwaltung. Es gibt keineN allgemeineN DirektorIn, jedeR hat innerhalb der Firma eigene Aufgaben mit dazugehöriger Eigenverantwortlichkeit. Einkommen variieren vom 1,3 bis 1,8-fachen des Mindestlohns. Die Gewinnspanne soll so niedrig wie möglich sein, ehrlicher Handel ist das Wichtigste, und dabei geht es nicht nur um einen fairen Preis für die BäuerInnen, sondern auch für die KonsumentInnen. Dass die Preise so niedrig wie möglich gehalten werden, sieht man als eine gute Art, Produkte von biologischem Anbau für möglichst viele Menschen bezahlbar bleiben zu lassen.

Ein zweiter Großhandel mit einem Vollangebot von Produkten ist Natudis. Mit einem Jahresumsatz von 80 Millionen Gulden ist dieser der weitaus Größte (De Nieuwe Band: 8 Millionen). Bei de Nieuwe Band und auch bei den Voedselcoöps, von denen einige Mitglied in De Nieuwe Band sind, gibt es ziemlich viel Kritik an Natudis. Dieser Großhandel wird als ein ganz normaler kommerzieller Betrieb gesehen, der sich immer mehr als marktführend profiliert. Das tut Natudis, indem er das Exklusivrecht für eine Anzahl von Produkten kauft. Wenn es ihm nicht gelingt das Exklusivrecht zu erwerben, dann schaut Natudis erst, welche Produkte eines bestimmten Produzenten sich gut verkaufen, um dann unter eigenem Namen ein imitiertes Produkt auf den Markt zu bringen. Kleine ProduzentInnen fühlen sich daher gezwungen, mit Natudis zu kooperieren, denn die Alternative ist, dass sie vom Markt gedrückt werden. Gleichzeitig ist Natudis damit beschäftigt, eine Franchising-Formel zu entwickeln. Allard ten Dam von De Nieuwe Band: „Was daran nicht taugt ist, dass Natudis die Franchising-Formel präsentiert als branchenweites Teamwork und damit versucht, die Einzelhändler zu beschwichtigen, während es natürlich nicht um die Interessen der Branche geht, sondern um die von Natudis.“

Inzwischen wurden große Einzelhändler der Branche wie Gimsel und die VNR (Vereniging Nederlandse Reformwinkels) schon einverleibt. Nachhaltig im Sinne von biologisch muss also nicht immer nachhaltig in solidarischer und sozialer Hinsicht sein.3

Fair Trade
Auch der Fair Trade ist ein Großhandel. Dieser beschäftigt sich mit einer Form der Entwicklungszusammenarbeit, die er selbst eingeführt hat: dem Fördern und Betreiben von gerechtem Handel mit der „Dritten Welt“. Die Organisation hat zwei Ziele: Sie will nicht nur KonsumentInnen, Betriebe und Behörden von der Notwendigkeit von ehrlichem Handel überzeugen, sondern setzt auch die Prinzipien von gerechtem Handel in die Praxis um. Diese Praxis besteht aus dem Import von mehr als 2500 Produkten aus der „Dritten Welt“ (Gebrauchsgegenstände, Keramik, Schmuck, Spielsachen, Kaffee und Tee), die direkt bei Kooperationen oder kleinen Betrieben von ProduzentInnen gekauft werden. Für diese Produkte bezahlt die Fair Trade-Organisation einen fairen Preis, der teilweise im Voraus bezahlt wird. Nach Auffassung der Fair Trade-Organisation ist gerechter Handel an erster Stelle eine Frage der Mentalität. Kleine ProduzentInnen der Dritten Welt haben erschwerten oder keinen Zugang zum westlichen Markt. Erst wenn der Westen den ProduzentInnen eine ehrliche Chance gibt, ihre Produkte anzubieten, kann Hoffnung aufkommen. Wenn es keine KäuferInnen gibt, gibt es keinen Handel. Darum ist es wichtig, eine Aufklärungspolitik zu betreiben, um die KonsumentInnen aufmerksam zu machen auf ehrliche Produkte.

Durch gerechten Handel können immer mehr Menschen in der „Dritten Welt“ ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen, so dass sie unabhängig werden von finanzieller Unterstützung. Indem sie sich für die Rechte von schwachen ProduzentInnen auf dem Weltmarkt einsetzt, versucht die Fair Trade-Organisation Handelsbarrieren abzubauen und sowohl die Arbeitsbedingungen als auch die soziale Situation in der „Dritten Welt“ zu verbessern. Es ist eine strukturelle Art zu arbeiten, wobei langfristige Beziehungen angestrebt werden.

Der Ursprung der Organisation liegt im Jahre 1959, als eine Gruppe katholischer Jugendlicher die Stiftung S.O.S. (Steun Onderontwikkelde Streken/Unterstützung für unterentwickelte Gebiete) gründete. Damals ging es noch um finanzielle Unterstützung der „Dritten Welt“, erst später wurde das Prinzip des gerechten Handels entwickelt und der Name umgeändert in S.O.S. Wereldhandel (Welthandel). Unter diesem Namen wurde unter anderem der ‚saubere Kaffee‘ eingeführt, was in Holland ein fester Begriff geworden ist. Erst 1994 wurde der Name geändert in Fair Trade, um damit eine deutliche Beziehung zu den ProduzentInnen ausdrücken zu können.4 Man arbeitet eng zusammen mit der Schwesterorganisation Fair Trade Assistence, die ProduzentInnen an Ort und Stelle Hilfe bietet in Form von technischer Unterstützung und Training zur Verbesserung von Produktionsmethoden, Logistik, Marketing, Organisation und Produktentwicklung.

Weitere Aktivitäten sind die Beratung und Vermittlung beim Beantragen von Krediten, das Anregen von umweltfreundlichen Produktionsmethoden und die Unterstützung von Organisationen, die sich mit der Abschaffung von Kinderarbeit beschäftigen, sowie die Entwicklung einer Gender-Politik, die Frauen die Chance gibt, ihre Lage zu verbessern.5

Die Marke Fair Trade wird in ca. 400 „Dritte Welt“-Läden, einigen Supermärkten und den Geschäften der Organisation selbst vertrieben. Die Abteilung Großverbrauch liefert zunehmend Kaffee an Firmen und Behörden. Momentan werden Initiativen entwickelt hinsichtlich des gesellschaftlich vertretbaren UnternehmerInnentums als Zusatz zum Prinzip des gerechten Handels. Dies richtet sich auch auf den regulären Handel und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der betroffenen ArbeiterInnen, die für den internationalen Markt produzieren.6

Anmerkung
1 Nils Buis – De biosien, in: &, Ideen voor de doe het zelf revolutie no 2, Utrecht, Sommer 1997
2 ebenda
3 ebenda
4 Die Fair Trade Organisation, Culemborg, 1999
5 Fair Trade Assistence, Culemborg, 1999
6 Fair Trade Organisation, Geschäftsbericht 1999, Culemborg, 2000

 

Nils Buis arbeitet als Grafik-Desginer in seinem Betrieb „Om tekst en vorm“ und im Utrechter Wohnprojekt „de bonte kaketoe“. Er ist Mitglied des Vereins „Solidair“. Jaap van Leeuwen arbeitet im Bereich Beratung nachhaltige Technologien, „ADT“ (Advies duurzame technologie). Er ist Mitglied des Vereins „Solidair“.
WEITERFÜHRENDE LINKS:
www.solidair.nl
www.goedewaar.nl
www.fairtrade.nl
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